Ziemlich niedergeschlagen kehrte ich aus Peru nach Zürich zurück. In einem Stadtteil, in dem ich mich sonst kaum je aufhalte, traf ich eines Tages einen Freund, der mir eine Telefonnummer in die Hand drückte: „Diese Organisation sucht einen Arzt für Afrika. Ruf doch mal an!“
Es handelte sich um eine amerikanische Organisation, die in der Provinz Katanga des Zaire ein Projekt angefangen hatte und dafür einen ärztlichen Leiter suchte. Ich sah mich einer grossen Aufgabe gegenüber: Auf einem Gebiet von 40'000 Quadratkilometern, also von der Grösse der Schweiz, musste ich den Gesundheitsdienst aufbauen und leiten. Es gab ein verlassenes Kolonialspital, das ich wieder in Betrieb setzte. Zwei Krankenhäuser baute ich neu; in jedes integrierte ich ein leerstehendes Sanitätsgebäude aus der Kolonialzeit. In vierzehn Dörfern richtete ich Gesundheitszentren ein, die Gebäude dafür stellte jeweils das Dorf zur Verfügung; manchmal bauten die Leute ein neues Gebäude aus Adoben mit Strohdach. Den Gesundheitszentren stand ein diplomierter Pfleger vor. In allen richteten wir ein kleines Laboratorium mit einem Mikroskop und einer handbetriebenen Zentrifuge ein. Waren die Zentren weit vom Krankenhaus entfernt, rüsteten wir sie mit einem Kühlschrank für Impfstoffe aus, der mit Sonnenenergie betrieben wurde. Für eine bessere Trinkwasserversorgung gruben wir in einigen Dörfern Zienrunnen, in anderen fassten wir Quellwasser in Röhren, damit die Frauen ihre Eimer mit sauberem Wasser füllen konnten. In mehreren Dörfern legten zairische Agrotechniker mit den Müttern des Dorfes Gemüsegärten an, um die Ernährung ihrer Kinder zu verbessern. Im Hauptort Manono bauten und eröffneten wir eine Schwestern-, Hebammenschule. Unter meiner Führung arbeiteten rund 300 Zairer, darunter vier Ärzte. Diese Kollegen bildete ich in Chirurgie aus und setzte sie als Chefärzte der drei Krankenhäuser ein; im grössten Spital, in Manono, brauchte es zwei Ärzte. Als Ausländer gab es neben mir einen Deutschen, der von Lubumbashi aus für Logistik und Buchhaltung des Projekts zuständig war.
Hauptstrasse in Manono, rechts hinter den Bäumen das Spital
Im Operationssaal Manono, Operation mit Chefarzt Dr. Nzala rechts
Krankensaal im ehemals kolonialen Spital Ankoro
medizinisches Personal des Spitals Ankoro beim Morgenrapport
Ausser der Leitung des Projektes und den regelmässigen Kontrollen der Gesundheitsstationen in den Dörfern arbeitete ich als Arzt und Chirurg in allen drei Krankenhäusern. Wie schon in den früheren Projekten operierte ich, was notwendig und sinnvoll war, aussgenommen Herzchirurgie, Rückenchirurgie, Neurochirurgie; Notfalltrepanationen des Schädels machte ich. In Lambarene hatte mir ein Augenarzt gezeigt, wie man den grauen Star operiert. Ich führte sämtliche gynäkologischen Operationen aus, darunter viele Vesiko-Vaginalfisteln, die es in der Schweiz kaum je gibt. Ich machte Operationen in der Magen- Darmchirurgie, in Urologie, Traumatologie, Orthopädie, plastischer Chirurgie, Kieferchirurgie usw. Wenn wir Ärzte einen Patienten nicht behandelten oder operierten, gab es weit und breit niemanden, der ihn hätte behandeln, geschweige denn operieren können, das heisst: entweder halfen wir dem Kranken oder wir überliessen ihn seinem Schicksal. Meine frühere breitbasige chirurgische Ausbildung in der Schweiz kam mir unter diesen Umständen zugute! Auch hatte ich die nötige Fachliteratur mitgenommen. Was ich an Instrumenten und Nahtmaterial für meine Eingriffe brauchte, hatte ich mir in Europa selbst beschafft. Ich war gut ausgerüstet!
dörfliches Gesundheitszentrum in Kahongo
Gemüsegärten in einem Dorf zur besseren kindlichen Ernährung
Quellfassung im Dorf Kyofwe
Meine Arbeit in diesem Projekt warfür mich eine grosse Herausforderung, aber sie war das, was ich mir immer als eigentliche ärztliche Arbeit vorgestellt und gewünscht hatte.
In Manono habe ich Cécile, meine Frau, kennengelernt. Bis heute leben wir glücklich zusammen. Bereits vor mir hatte sie einen kleinen Sohn. Zusammen wurden uns zwei Söhne geschenkt, die inzwischen erwachsen sind. Dazu kommen meine beiden Kinder aus erster Ehe und die Tochter, die ich mit der Gabunerin gezeugt habe. Zusammen haben wir sechs Kinder!